Ramses II. war Pharao von dem Moment an, als er das Licht der Welt erblickte!  

Ramses II. war in gewissem Sinne Pharao von dem Moment an, in dem er das Licht der Welt erblickte. Er war nicht der älteste der Söhne Sethos I. (1303-1290 v. Chr.), wurde aber bereits in jungen Jahren zum Thronfolger erkoren. Sein Vater beteiligte ihn an der Regierung des Landes, überließ ihm wichtige administrative Ämter und ernannte ihn zum Kommandeur einer Militäreinheit, die einen Feldzug gegen die Libyer führte. Mit sechzehn Jahren hatte Ramses II. bereits zwei Frauen (die erste, Nefertari, wurde seine Lieblingsfrau) und vier Söhne. Er regierte 66 Jahre, von 1290-1224 v. Chr., und überlebte zwölf seiner Söhne; der dreizehnte, Merenptah, wurde sein Nachfolger.

Als Ramses II. nach dem Tod von Sethos I. den Thron bestieg, muss er etwa 21 Jahre alt gewesen sein. Nachdem er die Mumie seines Vaters zur letzten Ruhestätte ins Tal der Könige geleitet und am großen Fest von Opet am rechten Nilufer teilgenommen hatte, reiste Ramses II. kreuz und quer durch Ägypten, um sich über die dringlichsten Aufgaben seiner Regierung klazuwerden. In Abydos, der heiligen Stadt des Osiris, ließ er zu Ehren des Vaters den noch unvollendeten riesigen Totentempel von Sethos I. zu Ende führen. Danach legte er den Grundstein für sein eigenes Heiligtum und gab zwei Statuen mit dem Antlitz des verstorbenen Königs in Auftrag. In der 120 Zeilen langen Widmung, die später eingemeißelt wurde, schwingt noch der bewegte Dialog zwischen Vater und Sohn mit.

Im Delta ließ der neue Pharao die von seinen Vorfahren gegründete Stadt Pi-Ramses renovieren und vergrößern. Außerdem wurde sie durch zahlreiche Tempel verschönert. Viele etwas weitschweifige Inschriften, die mit Lobeshymnen für den jungen Pharao gespickt sind, haben die Zeit überdauert. Diese Inschriften bestätigen die Allgegenwart von Ramses II. schon während seiner Regierungsjahre im ganzen Land: von Oberägypten bis zur Sina-Halbinsel. Unermüdlich wurden Tempel gebaut, die alle die göttliche Machtfülle des Königs hervorheben und seine übermenschlichen Fähigkeiten bezeugen. So wurde er schon zu Lebzeiten "erhoben", und zwar bis zu einem Punkt, an dem er das göttliche Wesen selbst verkörperte.

Bild oben: Der Hethiterkönig Muwatalli reitet gen Ramses II.

Natürlich sollten auch die Grenzen seines Königreiches dank "der Siege durch seinen mächtigen Arm" gesichert werden, wie es in vielen Inschriften heißt. In der Tat scheint Ägypten während seines zweiten Regierungsjahres von einem Nomadenvolk angegriffen worden zu sein. Der Angriff richtete sich gegen das Deltagebiet. Ramses II. hatte seine Streitkräfte in Pi-Ramses, der Stadt seiner Ahnen, stationiert, und schlug den Angriff mit Leichtigkeit zurück. Dabei machte er eine große Zahl von Gefangenen, die ins ägyptische Heer eingegliedert wurden. Diese Gefangenen gehörten zum Volk der späteren Sarden. Einige Jahre danach sollen sie bei der Schlacht von Kadesch in Syrien einen Teil der persönlichen Leibwache von Ramses II. gebildet haben. Inzwischen erinnerten die berühmten Inschriften unermüdlich daran, daß durch das Verdienst Ramses' II. "Unterägypten die Ruhe des Friedens genießen konnte".

Ramses ahnte aber bereits, dass der Moment kommen würde, da sich die ägyptische Macht mit den Hethitern und ihren Verbündeten messen mußte, die ihm die Vorherrschaft im Nahen Osten streitig machten. Gegen Ende des dritten Regierungsjahres überschritt Ramses zum erstenmal die Grenzen Ägyptens. Er durchquerte das Land Kanaan (das nachmalige Palästina) und erreichte Phönizien, wo er im Norden von Byblos seine erste Stele errichten ließ. Ramses inspizierte die Festungen und ließ die Truppenkontingente verstärken, wobei er besonderen Wert auf die Spezialeinheiten legte. Diese wurden etwas weiter im Süden stationiert, im Land Amurru (etwa im Gebiet des heutigen Libanon).

Bild oben links: Ramses reitet gegen die Hethiter
    Die Schlacht von Kadesch.  
Der Hethiterkönig Muwatalli und seine Offiziere vor der Schlacht gegen die Armee Ramses II.

Obwohl die Schlacht von Kardesch (heute Tell Nebi Mend in Syrien) vor dreitausend Jahren, 1285 oder 1286 v. Chr. stattfand, handelt es sich bei ihr um eines der kriegerischen Ereignisse der Antike, über die wir am besten informiert sind. Allerdings stammen die Informationen, die wir besitzen, fast ausschließlich von ägyptischer Seite. Und natürlich sind sie wie alle Kriegsberichte, auch in unserer Zeit, nur bis zu einem gewissen Grad glaubwürdig. Wir kennen drei verschiedene Versionen. Da gibt es zunächst einen ziemlich gut dokumentierten Report, den die Griechen als Bulettin der Schlacht zitieren: der Text ist auf zahlreichen Tempelmauern eingemeißelt, in Abydos, in Luxor, im Ramesseum (dem Totentempel von Ramses II. in Kurna) und in Abu Simbel. Eine zweite Version über die Schlacht enthält das sogenannte Kadesch-Gedicht, das Epos des Pentawer, das ebenfalls in die genannten Bauwerke eingemeißelt ist, doch gibt es auch einige Fassungen in Papyrus. Schließlich bleiben noch die Reliefs, die verschiedene Momente der Schlacht darstellen und durch Untertitel erläutert werden.

Die Dokumente von hethitischer Seite sind leider bruchstückhaft. Zu den wichtigsten gehört der in Hattusa gefundene Brief von Ramses II. und der sogenannte Brief des Generals, der später bei Ugarit (Ras Schamra) entdeckt wurde. Die Quellen weisen übereinstimmend darauf hin, daß Ramses II. im fünften Regierungsjahr, am neunten Tag des zweiten Sommermonats, erneut die Grenzen Ägyptens überschritt. Sein Heer - das mächtigste Heer, das Ägypten bis dahin jemals über die Grenze geschickt hatte - bestand aus vier Einheiten, die nach den vier Gottheiten Amun, Rè, Sobek und Ptah benannt waren und insgesamt vierundzwanzigtausend Mann und 2500 Kampfwagen zählten. Die Armee des Pharao marschierte an der Festung von Sile (Zaru, in der Nähe des heutigen E- Kantara) vorbei, die den Zugang zur Sinai-Halbinsel bewachte. Dann zog das Heer die Küste entlang durch Palästina, um sich mit den Spezialtruppen zu vereinigen, die im Lande Amurru zurück gelassen worden waren.

Ramses und seine Soldaten wußten zu dieser Zeit noch nicht, daß Muwatalli, der König der Hethiter, zweihundert Kilometer weiter nördlich ein mindestens ebenso starkes Heer aufgestellt hatte, bestehend aus zwanzigtausend Mann, dreitausendfünfhundert Streitwagen und zehntausend Pferden. Dieses Heer war das Ergebnis eines der größten Militärbündnisse der Antike; in ihm waren fast alle wichtigen Stadtstaaten der Mittelmeerküste und Südanatoliens vertreten. Nachdem Ramses der Küstenstraße gefolgt war, erreichte er eine Stadt, die er persönlich während des vorangegangenen Feldzuges in "Ramses, die Stadt der Zedern" umgetauft hatte (den Archäologen ist es bis heute trotz emsiger Nachforschungen nicht gelungen, diese Stadt zu lokalisieren). Danach wandte er sich nach Osten und folgte dem Lauf des Orontes. Am linken Ufer lag der strategisch wichtige Ort Kadesch, von dem aus sich eine große Ebene bis zur Südgrenze des Hethiterreiches erstreckte. Inzwischen war jedoch etwas geschehen, was die Historiker ratlos gemacht hat. Es scheint, daß die ägyptischen Posten beim Anmarsch auf Kadesch zwei Beduinen gefangennahmen, die während eines Verhörs vor dem Pharao erklärten, sie seien vom hethitischen Heer dessertiert. Sie gaben Ramses die Information, daß die Truppen von Muwatalli bei Chalap (Halpa, das heutige Aleppo) in einer Entfernung von etwa hundert Kilometern in Stellung gegangen seien. Anscheinend hatte Ramses keine Ahnung von dem Täuschungsmanöver. Am neunten Tag des dritten Monats im Sommer durchwateten seine Truppen den Orontes und schlugen am linken Ufer ihr Lager vor Kadesch auf. Hier wurden abermals zwei Gefangene eingebracht, diesmal Hethiter.

2. Bild oben: Die ägyptischen Posten nahmen beim Anmarsch auf Kadesch zwei Beduinen gefangen.
Mutawalli blieb das nicht verborgen und er beriet sich mit seinen Heerführern
Bilder oben: Diesmal nahmen Ramses Soldaten zwei Hethitersoldaten gefangen

Das Gespräch zwischen dem Pharao und den gefangenen und gefolterten Hethitern ist wörtlich überliefert, und zwar durch einen Papyrus und etliche Inschriften in Theben, Abydos und Abu Simbel. Danach erklärten die beiden hethitischen Soldaten, sie seien von ihrem Herrn geschickt worden, um den Pharao wissen zu lassen, wo sein Feind stehe - und zwar hier in der Nähe, bewaffnet und zur Schlacht bereit, hinter den Mauern der Stadt. Ramses versammelte sofort seine Generäle im Hauptquartier der Division Amun, die er selbst führte, zu einer Beratung. Es ging nun darum, die ägyptischen Streitkräfte zusammenzuziehen, die zu diesem Zeitpunkt in einem Bogen von über fünfzig Kilometern verstreut waren (hinter der Disvision Amun folgte die Division Rè, dann Ptah und als letzte Sobek).

Aber ehe der Pharao den Befehl zur Konzentration vor Kadesch geben konnte, brachen die hethitischen Streitwagen aus ihrem Versteck hervor. Sie waren den ägyptischen weit überlegen, denn sie konnten drei Männer tragen: den Wagenlenker und zwei Kieger, während die ägyptischen Wagen nur für zwei Platz hatten. Die hethitische Attacke traf die Flanke der Division Rè und spaltete sie in zwei Teile. Nach den ägyptischen Quellen war es nur die große Tapferkeit Ramses' II., die das Unglück aufhielt und eine Wendung der Schlacht herbeiführte. Wie ein Löwe, der Gefahr nicht achtend, stürzte er sich ins Kampfgewimmel und streckte einen Feind nach dem anderen mit seinen Pfeilen nieder, die er mit ruhiger und sicherer Hand abschoß. Gleichzeitig versuchte er, die eigenen Reihen wieder zu schließen. Dann bemerkte er jedoch, daß die östliche Flanke der hethitischen Truppen ungeschützt war. Sofort griff er dort an. Mit Hilfe seiner Spezialtruppen, die eben noch rechtzeitig eingetroffen waren, gelang es ihm, viele feindliche Streitwagen in die Fluten des Orontes zu jagen. Die Attacke, die mehr das Ergebnis eines momentanen Impulses als einer taktischen Entscheidung war, hatte Erfolg. Ramses ging auf der ganzen Linie zum Angriff über. Inzwischen hatten seine Divisionen den ersten Schreck überwunden und waren wieder vereint, während sich das Heer Muwatallis in der gleichen mißlichen Situation befand wie das ägyptische zu Beginn der Schlacht.

Ehe der Pharao den Befehl zur Konzentration vor Kadesch geben konnte, brachen die hethitischen Streitwagen aus ihrem Versteck hervor.

Gegen Abend zogen sich die Hethiter zurück. Nach Ansicht der meisten Wissenschaftler gab es also weder Sieger noch Besiegte. Alles blieb, wie es gewesen war. Das Land Amurru, das den Zündstoff für die Auseinandersetzung geliefert hatte, gehörte weiterhin zur Einflußsphäre der Hethiter, Mutawalli behauptete Kadesch, während Ramses II. nach Ägypten zurückkehrte. Die Reliefs und die entsprechenden Inschriften, die der Pharao einmeißeln ließ, besagen, daß er sich bei seiner Ankunft als triumphaler Sieger und Retter des Vaterlandes feiern ließ. Frieden wurde erst Jahre später nach langen Verhandlungen geschlossen.

Allerdings soll der König der Hethiter nach den ägyptischen Quellen noch in der Nacht nach der Schlacht Unterhändler mit Vorschlägen für einen Waffenstillstand zum Paharao gesandt haben, da er die Stärke und Fähigkeit der Ägypter und die Schwäche und Unfähigkeit der Hethiter erkannt habe. Diese Erklärung - darauf können wir einen Eid leisten - existierte aber wohl nur in der regen Phantasie von Ramses dem Großen.

Ramses Krieger wehren sich tapfer gegen die Truppen der Hethiter
    Eine Ehe festigt den Frieden.  

Der Friedensvertrag zwischen Ägypten und den Hethitern wurde von Ramses II. und Mutawallis Nachfolger Hattusilis III. (etwa 1282-1250 v. Chr.) abgefaßt und unterzeichnet, und zwar im einundzwanzigsten Regierungsjahr des Pharao, das heißt mehr als fünfzehn Jahre nach der Schlacht von Kadesch, um 1269 v. Chr. Wie bekannt, sind uns durch eines jener Wunder, die sich so häufig in der Geschichte der Archäologie ereignet haben, beide Fassungen dieses Vertrages überliefert. Die ägyptische Version gibt eine Hieroglypheninschrift im Tempel von Karnak wieder, die hethitische wurde 1906 von dem deutschen Assyriologen Hugo Winckler in Hattusa entdeckt.

Trotz Friedenschluß veränderten sich die Beziehungen zwischen den beiden großen Ländern zunächst wenig. Zu lange war der Haß genährt worden, als daß die Unterzeichnung eines Vertrages genügt hätte, das gegenseitige Mißtrauen zu beseitigen. Wahrscheinlich war sich auch der große Pharao über die Zerbrechlichkeit dieses Friedens im klaren. Jedenfalls versuchte er, Bande anderer Art mit den Ex-Feinden zu knüpfen. Als Nefertari, seine Lieblingsfrau, starb, entschloß sich Rameses II., die älteste Tochter von Hattusilis III. zu heiraten. Wir kennen den hethitischen Namen der jungen Prinzessin nicht; Ramses nannte sie Maa-Nefern-Rè. Sie kam mit einer Eskorte von Soldaten des Pharao nach Ägypten und führte eine eindrucksvolle Mitgift mit sich: Gold, Silber und Kupfer in großen Mengen, außerdem Sklaven, Pferde, Rinder, Ziegen und Schafe zu Tausenden und eine große Menge der Produkte ihres Landes.

Wie schon erwähnt: Wir kennen den hethitischen Namen der jungen Prinzessin nicht; Ramses nannte sie Maa-Nefern-Rè. Sie kam mit einer Eskorte von Soldaten des Pharao nach Ägypten.

Die Reise ging über Gebirge und Ebenen, während rauhe Winterstürme tobten. Ramses, der kontinuierlichen Vergottung seiner selbst treu, ließ auch darüber Inschriften anfertigen. Es heißt darin, daß er persönlich eingegriffen habe, um die Elemente zu beruhigen, und daß er, um die Reise seiner zukünftigen Gemahlin angenehmer zu gestalten, außerhalb der Jahreszeit für eine kurze Periode milden Wetters gesorgt habe. Im übrigen hinderte ihn die neue Verbindung nicht, sich entsprechend den Bräuchen und Pflichten eines Herrschers der damaligen Zeit auch eine große Zahl von Konkubinen zu halten, die ihm mehr als einhundertzehn Söhne schenkten.

Bild oben: Welch trauriges Geschick für einen Großen der Geschichte - später herausgeholt, um zusammen mit der Mumie seines Vaters und anderer Herrscher Ägyptens in der finsteren Höhle von Deir-el-Bahri untergebracht zu werden.

Ramses II. lebte neunzig Jahre. Im Jahre 1224 v. Chr. fuhr ein langer Trauerzug nilaufwärts bis zum Tal der Könige, um die Mumie des Pharao zu ihrem Grabu zu geleiten. Aus diesem Grab wurde sie - welch trauriges Geschick für einen Großen der Geschichte - später herausgeholt, um zusammen mit der Mumie seines Vaters und anderer Herrscher Ägyptens in der finsteren Höhle von Deir-el-Bahri untergebracht zu werden.

Anmerkung von MGB: Ein von Plagen geschütteltes Land oder ein Sklavenvolk, das unter der Führung eines Moses auszog, findet in der ägyptischen Geschichtsschreibung zur Zeit Ramses II. (1279 - 1213 v.Chr. unter der 19. Dynastie) keine Erwähnung.